Früher fühlte ich mich oft als „early Adopter“. Ob das damals überhaupt der Realität entsprach, kann ich heute gar nicht genau sagen. Heute warte ich häufig ab, renne wenig bis gar keinen Trends hinterher. Deshalb war ich wohl auch erst am Samstag bei „Original unverpackt“, dem Kreuzberger Laden von Milena Glimbovski. Wie es der Name schon vermuten lässt, wird in dem Geschäft möglichst unverpackte Ware verkauft. Ich hatte seit der Gründung 2014 bisher nur davon gelesen.
Milena Glimbovski gründete mit Sara Wolf den Laden, der inzwischen Nachahmer in Deutschland und im Ausland gefunden haben soll. Ich wollte endlich sehen und verstehen, wie das Konzept eines Geschäfts funktioniert, in dem die Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs ohne Verpackung verkauft werden. Gleich zu Beginn: Es funktioniert.
Es funktioniert, weil Menschen diese Idee nicht nur 2014 in einem Crowdfunding mit gut 100.000 Euro unterstützten, sondern weil an einem Samstagnachmittag permanent Menschen im Laden sind und tatsächlich kaufen. Sie bringen teils gebrauchte Papiertüten mit oder Gläser, in denen sie Mehl, Müsli, Waschmittel oder Tee und Kaffee abwiegen und an einer Kasse nahe dem Ausgang bezahlen.
Der Store ist schlicht und die Wände zieren alte Fliesen, die Bestandteil der ehemaligen Metzgerei sind, die diese Räume früher beherbergten. Heute – so scheint es mir – ist der Laden in erster Linie mit vegetarischen und veganen Produkten ausgestattet.
Gut 600 Produkte sollen in den Regalen auf die KäuferInnen warten. Für mich ist das ungewohnt. Ich bin seit vielen Jahren der Haupteinkäufer der Familie, denn ich koche die meiste Zeit. Meine Frau ist dafür die deutlich bessere Bäckerin. Ungewohnt ist für mich in erster Linie die wenige Farbe in den Räumen. Denn in erster Linie kommt Farbe – besonders die grelle Farbe – durch Verpackungen ins Spiel. Hier fehlen diese. Müsli, Mehl und Co. finden sich in Bulk Bins (Spendersystemen), die meist durchsichtig sind und somit einen direkten Blick auf das Produkt selbst zulassen. Mir fällt auf, wie ähnlich die Produkte in ihren natürlichen Farben sind. Es sind die Naturfarben zwischen Weiß und dunklem Braun.
Flüssigkeiten, wie Haarwaschmittel oder Tahin finden sich in Metallbehältern, die so wohl den Hygienevorschriften im Einzelhandel entsprechen.
Neben den Lebensmitteln finden sich – wie bereits erwähnt – auch Haarwaschmittel und Seifen. Sie dominieren mit ihrem Geruch im Geschäft. Es sind natürlich Produkte, die besonders ökologisch sind. Und somit riechen sie durchaus intensiv.
Eben weil die Produkte nicht verpackt sind, kann man Papiertüten und Transportgefäße aus Glas und Metall ebenfalls im Store erwerben. Mir wäre es also ohne Probleme möglich gewesen, meinen Wochenendeinkauf samt wiederverwertbaren Behältnissen zu erledigen. Tatsächlich habe ich mir vier Produkte mitgenommen: einen Neuköllner Honig, eine Solicola, einen kleinen Bretzelsnack und vegane Schokoladendrops, die in etwa Vollmilchschokolade entsprechen sollte. Der Bretzelsnack war lecker und stammte wie die Schokodrops aus Plastikbehältnern, die das Portionieren einfach machten.
Mit der Cola (Pfandflasche) unterstützt man Initiativen, die Projekte mit Geflüchteten möglich machen und der Neuköllner Honig dürfte ein ultraregionales Produkt mit dem vermutlich kürzesten Transportweg sein. Meinen Besuch absolvierte ich auf der Heimfahrt von einer Elterntaxitour und mein Fahrzeug fährt vollelektrisch – es dürfte also auch noch recht nachhaltig gewesen sein.
„Original unverpackt“ hat mir gezeigt, dass es auch eine andere Verkaufskultur geben kann, als wir es inzwischen gewohnt sind. Verpackungen könnten in einem Discounter womöglich nicht komplett weggelassen werden, aber eine deutliche Reduktion dürfte noch immer möglich sein. Gleichzeitig ist die Produktvielfalt deutlich geringer bei „Original unverpackt“. Daran müsste ich mich erst gewöhnen, da mich das in unserem Bio-Supermarkt manchmal schon nervte. Gleichzeitig ist mir klar: Niemand benötigt von jedem Produkt drei oder vier Alternativen. Es ist also in erster Linie die Gewohnheit, die man infrage stellen muss, wenn man sich auf das Konzept von Milena Glimbovski und Sara Wolf einlassen will.
Mir persönlich fehlten im Laden Käse- und Fleischwaren. Ich bin eben noch kein Vegetarier. Allerdings dürften beide Produkte auch wirtschaftliche Risiken bergen, wenn nicht sogar persönliche Gründe der Gründerinnen gegen den Verkauf sprechen. Nur ein Punkt hat mich wirklich stutzig gemacht: Warum müssen vier Trinkröhrchen aus Metall satte 14 Euro kosten?
Fazit: Ich wünschte mir einen solchen Laden in meinem Kiez, denn eine regelmäßige Fahrt zum Kreuzberger Geschäft wäre unverhältnismäßig – mit dem eAuto ob der verbrauchten Energie; per Fahrrad oder ÖPNV würde der Einkauf zu viel Zeit beanspruchen. Insgesamt ist jedoch das Konzept vor Ort sicherlich ein sehr guter Prototyp, der sich adaptieren und anpassen lässt.