Natürlich die aktuelle Debatte um Joko und Klaas der Aufhänger dieses Blogeintrags. Immerhin gab es heute einen dieser sogenannten Shitstorms. Die beiden Moderatoren hatten während ihrer Sendung „neoparadise“ eine MAZ (neudeutsch Videoeinspieler oder so) ausgestrahlt, die darstellt, wie Joko einer Messehostess sowohl an den Busen als auch an den Po gefasst hat. Laut seinem Arbeitgeber ZDF soll der Moderator genau das nur angedeutet haben. Im Prinzip ist mir das egal – beide Varianten ändern nichts daran, dass dieser Clip jetzt die Runde im Netz macht und für Empörung sorgt. (Hintergründe auf z.B. auf freitag.de)
Diese Empörung ist putzig. Hinz und Kunz regt sich auf. Warum? Weil es möglich ist und auch sein darf. Sicherlich weil es sogar so sein sollte. Richtig dolle lustig wird es aber eigentlich erst, wenn sich die Politik reflexartig meldet und ein Volker Beck (hier könnte auch jeder andere PolitikerInnen-Name stehen, aber er hat sich nun mal zu Wort gemeldet) jetzt Stellungnahmen vom ZDF und Trallala fordert. (Hintergründe z.B. auf kress.de)
And? What happened behind the scenes?
Wie mag das hinter den Kulissen abgelaufen sein? Das frage ich mich. Ist Volker Becks Berater/in auf die Idee gekommen, da könnte man ja mal etwas dazu sagen. Immerhin ist das eines der starken Themen des Tages und andere PolitikerInnen haben sich noch nicht positioniert. Mann wäre also Erster und damit gutes Futter für die Redaktionen – und Facebook & Twitter sowieso. Weil man ja heute auch in Social Media machen muss. Und das Ergebnis? Volker Beck wird zitiert und es wird Beifall geklatscht – analog und digital.
Clap your hands and say yeah!
Hat sich aber jemand beim Klatschen auch gefragt, ob der gute Volker (oder irgendein/e andere/r Politiker/in) in einer Woche auch beim ZDF nachhakt? Will er/sie in einer Woche vielleicht wissen, welche Konsequenzen gezogen wurden? Vermutlich fragt er/sie nicht nach, vermutlich fragt ihn/sie in einer Woche aber auch keiner, ob er/sie nachgefragt hat. Weil wir Medienmenschen – und da nehme ich mich nicht aus – kaum noch nachfragen, was aus der Story von vor einer Woche geworden ist. Denn wir klicken uns dann wahrscheinlich schon durch den nächsten Shitstorm, den nächsten unbedachten Satz von PolitikerInnen und schreiben, sprechen oder zeigen etwas darüber.
Und die Moral von der G’schicht? Es ist wieder mal einfach auf die Anderen zu zeigen und dann macht man einfach weiter.
Ich will da mal ehrlich sein.
Ich habe keine Sympathien für die Aktionen von Joko & Klaas. Blödsinn im TV ist völlig okay, aber die Aktion war einfach völlig daneben. Darüber kann ich mich allerdings nicht wirklich aufregen, weil es für mich nicht Aufreger genug ist. Ich kann mich aber fragen, wie dumpf schon die Redaktion vor Ort gewesen ist, die die Aktion nicht unterbunden hat und wie viel dumpfer die Redaktion gewesen sein muss, die diesen Clip für die Sendung freigegeben hat. Offenbar hat da ja niemand von den Beteiligten den Mut gehabt, die Ausstrahlung zu stoppen. Oder niemand hatte bemerkt, dass die Aktion völlig daneben war. Was davon tragischer ist, kann ich gar nicht sagen.
Nachvollziehbar ist für mich aber das Problem, kollidiere ich doch selbst auch mit diesem Thema. Natürlich versuche ich, tagtäglich die Würde der Frauen um mich herum nicht anzugreifen und sie auch nicht als Sexobjekte wahrzunehmen (die Frauen meine ich). Aber gelingt mir das immer? Wenn ich jetzt ein „Ja“ schreiben würde, wäre das gelogen. Es gibt täglich Momente in denen ich bemerke, wie ich auf einfache „Strickmuster“ hereinfalle. Ich sehe eine Werbung mit einer leicht bekleideten oder gar nackten Frau und schaue hin. Weil die Dame meine Aufmerksamkeit erregt. Im Werbestream, der täglich an mir vorbeirauscht, ist das aber auch nur noch ein Sekündchen. Aber es ist eben ein Moment, in dem ich dem alltäglichen Sexismus zum „Opfer“ falle und selbst nicht weiß, ob ich nicht auch ein Täter bin. Na klar nehme ich die für mich (un)attraktiv aussehenden Frauen eher wahr und auch die Körperteile, die ich für besonders spannend halte. Ob ich dahin starre oder nicht, kann ich selbst kaum beurteilen, weil das oft eine Definition der Person ist, die mich dabei beobachtet. Ich kann aber schon zugeben, dass ich im Alltag auch hin und wieder über blöde Männerwitze gelacht habe oder mich unter Männern an Gesprächen über Frauen beteiligt habe. Und diese Gespräche waren sicherlich nicht immer moralisch einwandfrei.
Diskussion ist besser als Shitstorm.
Und damit bin ich bei dem Punkt, den ich hier eigentlich interessant finde. Ich weiß nicht genau, wo Sexismus anfängt und wo er aufhört. „Aufhört“ meint: Was ist kein Sexismus? Was ist einfach Spaß, Witz, Erotik und damit sozusagen „OKAY“? Und an dem Punkt sollte die Debatte (sofern es denn eine ist) in Sachen Joko & Klaas ansetzen. Es ist eben nicht mit Aufregen oder ein paar zitierfähigen Sätzen für die Medien getan. Für mich ist Sexismus ist in erster Linie ein Problem, dem man nur Stück für Stück kleine Erfolge abringen kann. Und dabei hilft nicht aufregen, sondern machen – vielleicht einfach schon mal sachlich diskutieren und diese Diskussion in eine breitere Öffentlichkeit tragen.
Insofern lade ich hiermit sehr herzlich zur sachlichen Diskussion in meinem kleinen Blog ein. Und bitte.
update: 22.10.2012
Die geneigte Leserin „frau tadellos“ hat sich wohlwollend per Mail zu meinem Artikel geäußert und gleich noch ein Bild beigesteuert, das ich an dieser Stelle veröffentlichen darf, um es der gesamtgesellschaftlichen geneigten Leserschaft präsentieren zu dürfen. Herzlichen Dank an „frau tadellos“, die Sie, meine lieben Leserinnen und Leser, dort finden: www.tadelloshimmelblau.de >>