Warum eigentlich Bio?

Ich bin eigentlich nicht sonderlich an Luxus interessiert. Uneigentlich aber habe ich beim Thema Essen eine sehr niedrige Schmerzgrenze. Wenn es um das Essen für meine Familie und mich geht, dann will ich eigentlich immer das gute, das bessere, das gesündere Lebensmittel. Ich rede von Produkten, die möglichst wenig bis keine Zusatzstoffe enthalten, auf deren Packungen u.a. weniger E’s stehen, als man beim Glücksrad kaufen konnte.

Früher™ – also gefühlt anno 1857 – war ich ein Bio-Gegner. Realistisch muss es so um 1998 gewesen sein, als ich einem der ersten Bioläden im Friedrichshain meine Aufwartung machte und ganz schnell feststellte: Diese Schrumpeläppel waren nur halb so groß wie bei Kaisers, kosteten aber das Doppelte. Da konnte etwas nicht stimmen, das erkannte ich Fuchs sofort. Der Matheunterricht war also doch nicht ganz unnütz gewesen. Tatsächlich hatte ich mir keine wirkliche Übersicht verschafft, sondern nur mal eben schnell meine Vorurteile auf die einfachste Art und Weise selbst bestätigt. Denn in dem schummrigen Laden mit der muffigen Luft und dem Dreadlocks tragenden Hippie hinter der provisorischen Theke hatte ich mein „Bild“ genau so vervollständigt, wie ein Schiebepuzzle mit dem letzten Teil auch erst vollständig sein kann. Kurz: Mein Durst nach gefährlichem Halbwissen über Bioprodukte war gestillt und ich konnte mich „ruhigen Gewissens“ wieder den Tütensuppen und Tiefkühlpizzen zuwenden. Das dies natürlich Quatsch war, bemerkte ich erst viele Jahre später.

Es war meine Herzensdame, die mir später – so im Jahre des Herrn 2003 etwa – konsequent den Weg in die Biowelt ebnete. Das tat sie geschickt und subtil durch den immer gleichen Auftrag: Bring bitte Biomilch mit. Damals™ gab es im Prenzlberg (wir wohnten noch getrennt) keine Biomilch in den Supermärkten, aber es gab dafür schon solide Biomärkte. Im Gegensatz zu den Bioläden des späten auslaufenden 20. Jahrhunderts waren sie mit allem Pi-Pa-Po ausgestattet, den man auch aus den zeitgenössischen konventionellen Supermärkten kannte. Und die Menschen hinter der Theke trugen auch keine Dreadlocks mehr. Und so begab es sich zu jener Zeit, dass ich in einem dieser Biomärkte auch weitere Produkte zur Probe kaufte. Denn von hause aus war ich faul, wenn es um das Thema Einkaufen ging. Ich mochte es überhaupt nicht: Erst bei Kaisers den Wochenendkauf absolvieren und dann voll bepackt noch im Biomarkt die Milch besorgen. Also kaufte ich immer mehr Bioprodukte, testete sie und Stück für Stück änderte ich das Verhältnis zwischen Kaisers und Biomarkt, bis ich im Bioladen alle Produkte kaufte. Aus Faulheit! Aber auch deshalb, weil die neuen Produkte schmeckten bzw. einige sogar besser schmeckten, wie Käse, Wurst, Fleisch, Gemüse und sämtliche Joghurts zum Beispiel.

Später, wir waren dem Biorausch schon voll verfallen, arbeitete meine Herzensdame bei foodwatch, dem Greenpeace fürs Essen. Fast täglich brachte sie Hintergrundinfos über Lebensmittel, die Zusatzstoffe oder die Produktionsprozesse mit. Erst da verstand ich wirklich, wie sinnvoll Bioprodukte schon aus einem Grund sind. Sie werden mit deutlich weniger Zusatzstoffen versetzt, sind oft von besserer Qualität weil sie aus kleineren Produktionseinheiten stammen und die ErzeugerInnen haben in vielen Fällen eine bessere Marge gemacht, als in der konventionellen Lebensmittelproduktion. Alle drei Argumente überzeugen mich bis heute, den Anteil an Bioprodukten im familiären Speiseplan möglichst hoch zu halten.

Mir ist klar, dass Bioprodukte kaufen können eine Frage des Geldbeutels ist. Menschen, die von niedrigen Einkommen oder Sozialleistungen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, sind leider oft nicht in der Lage ihren Lebensmittelbedarf im Bioladen zu decken. Deshalb will ich hier gar nicht erst mit Agitation beginnen. Noch dazu hat Jede/r auch andere Ansprüche an das, was auf ihren bzw. seinen Tisch kommt.

Was ist nun meine Moral von der Geschicht? Der Pragmatismus und die eigene Faulheit trieben mich in die bunte Biowelt. Ich bevorzuge Bioprodukte insbesondere deshalb, weil sie weniger Zusatzstoffe (Mist) enthalten. Gleichzeitig interessiere ich mich jedoch wenig dafür, ob sie in der zwölften oder drölfzigsten Mondphase geerntet oder erzeugt wurden. Ich möchte allerdings schon wissen, ob ihre ErzeugerInnen einen fairen Schnitt dabei gemacht haben und ob das liebe geschlachtete Vieh ein gutes Leben hatte. Und eines ist Bioladen ebenfalls besser gelöst: Die Verpackungen für 90 Prozent Obst und Gemüse sind nicht vorhanden. Im Gegensatz zu Biowaren bei #Rewe zum Beispiel, die fast immer in Plastik eingeschweißt sind.

Bonus-Track: Ich empfehle jedem Menschen das Kochen einer Biohuhnsuppe. Sie hat bisher bei den meisten meiner Gäste Überzeugungsarbeit geleistet. Ohne viele Worte.

2 Kommentare

  1. Ich hab vor etwa zwei Jahren angefangen, mich mit dem Thema „Bio“ ernsthaft auseinanderzusetzen. Für mich war das vorher einfach alles zu teuer und ich muss auch gestehen, dass ich mich anfangs nicht so in die Läden reingetraut habe, weil ich mir immer so ignorant vorkam und alle um mich herum die totale Peilung hatten, was sie denn eigentlich kaufen wollen und aus welchen Gründen. Gegen Genfood war ich schon immer und aufgrund der Tatsache, dass ich aus einer Stadt mit Brennelementezwischenlager komme, habe ich mich auch immer für Naturschutz interessiert, aber es ist halt doch immer noch mal ein Schritt, Bioprodukte zu kaufen. Dabei sind sie gar nicht immer teurer. Ich krieg seit ein paar Monaten eine Ökokiste, die kostet mich (als Single) ca. 15 Euro die Woche inkl. Versand, mal einen Euro mehr, mal einen weniger und davon komme ich fast eine Woche über die Runden. Man muss sich einfach nur mal darauf einlassen… Und seitdem ich Plastik vermeiden möchte, komme ich eh fast nicht mehr darum herum, Bio zu kaufen (auch wenn das mit dem Käse leider immer noch ein Problem darstellt…)

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